Weniger ist manchmal mehr

22.06.2002

Viele Direktvermarkter wollen dem Kunden ein möglichst breites Verkaufssortiment bieten. Nur so werden längere Anfahrtswege in Kauf genommen, hört man immer wieder aus der Praxis. Dass es auch anders geht, zeigt Familie Stahl aus Oberwesel/Dellhofen. Die Rheinische Bauernzeitung hat den Betrieb besucht.

 

Als Sieglinde Enderle-Stahl und Klaus Stahl im November 1997 den eigenen Hofladen eröffneten, verfolg- ten sie konsequent den Grundsatz, aus- schließlich Produkte aus eigener Herstellung zu vermarkten. "Wir kaufen nichts ein, um es direkt wieder zu verkaufen", so ihr Motto, dem sie bis heute treu blieben. Einzige Ausnahme in diesem Punkt ist der Wein im Verkaufssortiment, der aber quasi zur Familie gehört. Er wird von nahen Verwandten hergestellt.

Den landwirtschaftlichen Betrieb in Dellhofen haben die beiden vor zehn Jahren von Klaus Stahls Eltern übernommen. (...) Die Weiden werden extensiv bewirtschaftet. Das N-Düngeniveau liegt bei rund 60 kg N/ha. Phosphat und Kalium werden ausschließlich nach Entzug gegeben.

Das Sortiment aus eigener Produktion umfasst Fleisch vom Rind, Schwein und Lamm, Fleischwurst, Gänse, Nudeln und Eier. Unter anderem werden Braten, Schnitzel, Koteletts, Fleischkäse, Schinken, Gulasch, Rouladen und Rumpsteaks vermarktet. Eine breite Palette an Wurstwaren, frisch oder aus der Dose, rundet das Sortiment ab.

Spezielle Rezepturen mit Pistazien, Paprika oder Pilzen sorgen für ständige Abwechslung im Angebot. Die Hausmacherwurst ist frei von Geschmacksverstärkern oder ähnlichem, und es werden überweigend reine Naturprodukte verarbeitet.

Die Dosen werden im eigenen Betrieb befüllt und verschlossen. "Zurzeit ist die Grillsaison angelaufen und Fleischspieße oder eingelegte Steaks und Rippchen warten auf Abnehmer", erläutert Sieglinde Enderle-Stahl das jahreszeitlich abgestimmte Angebot. 

 

Hofeigenes Futter für die Tiere
Das Rindfleisch stammt von Färsen oder Jungbullen aus der Nachzucht der eigenen Mutterkuhherde. Es handelt sich vorwiegend um Tiere der Rasse Limousin bzw. Kreuzungstiere, die sehr robust und genügsam sind. Der feine Knochenbau und die große Fleischfülle garantieren eine hohe Ausschlachtung und eine bessere Fleischqualität.

Das Rindfleisch wird in der Regel als Hälften bzw. Viertel verkauft und zerlegt und vakuumverpackt abgegeben. Vor Licht geschützt wird es abgehangen und reift so etwa 12 - 14 Tage lang bei konstant 2 - 3 °C. Damit bleibt es beim Braten saftig und ist zart und aromatisch.

"Nahezu acht Monate im Jahr bleibt die Herde auf der Weide. Das fördert die Robustheit und Gesundheit der Tiere", sagt Sieglinde Enderle-Stahl. Im Winter stehen die Tiere ausschließlich im Tiefstall auf Stroh. Die Schweine werden ebenfalls auf Stroh gehalten.

 

Die Gänse laufen auf der Weide. "Die letzten Tiere gehen Heilig Abend um 18 Uhr über die Ladentheke", beschreibt Sieglinde Enderle-Stahl das Saisongeschäft von St. Martin bis Weihnachten. Abnehmer sind viefach Gastronomen. In der Jugendphase und kurz vor dem Schlachten werden die Gänse mit Getreide beigefüttert.

Um das Sortiment mit Eiern und Nudeln zu ergänzen, werden frei laufende Hühner gehalten. Da kein Trockenraum zur Verfügung steht, werden ausschließlich frische Nudeln vermarktet. "Viele Kunden nehmen zum Gulasch dann gleich die Nudeln mit", meint die gelernte Bäckerin und inzwischen passionierte Bäuerin. Sie hat die Direktvermarktung maßgeblich aufgebaut und um die Geflügelhaltung mit Gänsen und Hühnern erweitert.
Alle Tiere werden ausschließlich mit hofeigenem Futter versorgt.

"Vor dem Hintergrund von BSE-Krise, Maul- und Klauenseuche sowie Schweinepest ein unschätzbarer Vorteil", erklärt ihr Mann. Bis zur BSE-Krise haben einige Kunden nicht akzeptiert, warum wir unsere Produkte in einem überschaubaren Rahmen halten. Sie wollten nach Möglichkeit ein komplettes Angebot an landwirtschaftlichen Erzeugnissen vorfinden. Die Krise hat uns gezeigt, dass wir mit unser Strategie richtig liegen. Die Kunden wissen genau, wo und wie die Tiere gehalten werden und was sie zu fressen bekommen. Das schafft eine sehr gute Vertrauensbasis."

Vervollständigt wird der Tierpark durch einen Streichelzoo, bestehend aus zwei Schafen, einem Hund, mehreren Katzen, Meerschweinchen und Kaninchen. "Eine Attraktion und Landwirtschaft zum Anfassen für die Kleinen", sagt Sieglinde Enderle-Stahl, selbst Mutter von zwei fünf und zwölf Jahre alten Kindern.

Klaus Stahl kümmert sich im Wesentlichen um alle Arbeiten in der Außenwirtschaft, während seine Frau den Hofladen und die Selbstvermarktung betreut. Nebenbei "betreibt er Wahlkampf. Von Montabaur bis Wörth bei Karlsruhe stellt er als Subunternehmer großflächige Plakate auf und betreut diese, insbesondere links und rechts von der A 61. Insgesamt sei er damit zweieinhalb Monate im Jahr beschäftigt.

 

Rindfleisch am stärksten nachgefragt
Die Rinder und Schweine werden jeweils in kleinen Schlachtbetrieben in Laar bzw. Simmern geschlachtet. Die weitere Verarbeitung erfolgt wieder im eigenen Betrieb. Dazu wurde ein Zerlegraum gebaut und mit entsprechender Technik, wie Fleischwolf, Cutter oder Vakuumgerät, ausgestattet. Das grobe Zerlegen und Wursten erledigen ein Metzgermeister und ein Fleischergeselle, die dazu auf den Hof kommen.

Die Feinarbeiten, wie Rouladen oder Gulasch schneiden sowie Grillspezialitäten zubereiten, übernimmt Sieglinde Enderle-Stahl selbst. Sie schlachtet und rupft auch die Gänse. Das geschieht erst unmittelbar vor dem Verkauf. Alle Arbeiten sind straff organisiert und laufen nach einem bestimmtem Organisationsmuster ab.

Für die Kühlung steht ein gesonderter Raum zur Verfügung, wo das Fleisch reifen kann und die fertigen Produkte aufbewahrt werden. Gesundheits- und Veterinäramt kontrollieren ständig, dass alle hygienischen Bedingungen sorgsam eingehalten werden.

Begonnen wurde mit der Selbstvermarktung 1992. Zunächst in der Form, dass ganze Rinderhälften oder -viertel per Telefon vermarktet wurden. Schließlich wurden die Rinder zerlegt und in 10 kg-Paketen verkauft. "Es war schon eine schwere und mühsame Zeit, bis man ein gewissen Kundenstamm aufgebaut hatte", berichtet Sieglinde Enderle-Stahl über die ersten Jahre.

Drei Viertel der Kunden sind Stammkunden, die wöchentlich oder alle 14 Tage bzw. drei Wochen vorbeischauen. Geöffnet ist der Laden freitags von 10.00 - 18.00 Uhr sowie samstags von 8.00 - 14.00 Uhr. Auf telefonische Absprache hin wird fast jeder Wunsch erfüllt. Das Fleisch kann beliebig portioniert und vakuumverpackt werden.

Am stärksten wird Rindfleisch in allen Variationen nachgefragt. Stahls haben sich Wir bieten Ihnen fachgerechte Serviceleistungen - bei der Wurst auf fettarme Produkte spezialisiert. Das erreichen sie durch einen hohen Anteil von Rindfleisch in den Rezepturen.

Neben dem eigenen Hofladen wird in Bad Kreuznach ein Marktstand beliefert und mehrere Feinkostläden in Mainz ordern die Produkte. Zudem betreibt die Verwandtschaft in Dellhofen ein Gasthaus und unterhält ein Weingut. Beides nahezu ideale Partner für Familie Stahl.

Im Gasthaus wird ein Teil der erzeugten Produkte abgesetzt. Umgekehrt wird das Sortiment im eigenen Hofladen um Weine wie Riesling, Müller-Thurgau oder Blauer Spätburgunder ergänzt.

Wenn im Weinberg Stroh benötigt wird, liefert dieses selbstverständlich die landwirtschaftliche Abteilung der Familie Stahl. Aber nicht nur materiell unterstützt man sich gegenseitig, ebenso packt jeder mit an, wenn beim anderen Not am Mann ist. "Das ist ein großer Vorteil für unsere Direktvermarkrung", sagt Klaus Stahl über diese vertikale Kooperation.

 

Keine Schnäppchen und Billigangebote
Großer Wert wird auf Transparenz und Aufklärung gelegt. Jeder interessierte Kunde kann sich im Stall und auf der Weide ein Bild von der Produktion machen. Montags und Dienstags bietet sich die Möglichkeit für Besichtigungen und intensive Beratungsgespräche. Ein Service, der verstärkt Anklang findet.

Im Laden kann sich der Verbraucher auf Schautafeln darüber informieren, woher das jeweilige Stück Fleisch vom Rind stammt. Auf den Wurstdosen wird ebenfalls geworben. "Mit der Wurst nach dem Schinken schmeißen", so lautet das Motto, wenn es darum geht ein neues Produkt an den Mann oder die Frau zu bringen. Es gibt stets Rezeptvorschläge und Probierpakete des Wurstangebotes.

Im Sommer bekommt der Kunde als nette Beigabe zum Einkauf z.B. Sonnenblumen. "Das kommt gut an", sagt Sieglinde Enderle-Stahl. "Wir wollen Kunden, die auf Qualität und Herkunft großen Wen legen und die dann bereit sind, einen angemessen Preis zu Zahlen. Verbraucher die nur auf Schnäppchen und Billigangebote aus sind, sind bei mir fehl am Platz", so die Direktvermarkterin weiter.

"Ein eigenes Hoffest wäre sicher eine gute Werbemaßnahme, läßt sich aber bei der gegenwärtigen Arbeitsbelastung nur schwer realisieren." Es steht ganz oben auf der Liste fur zukünftige Projekte. Direkt dahinter folgt eine Backstube.

"Zur besseren Vermarktung unserer Produkte haben wir uns der Fördergemeinschaft "Einkauf auf dem Bauernhof" angeschlossen. Diese sorgt dafür, dass unser Name auch über die Grenzen von Oberwesel hinaus bekannt wird.

Bevor der Laden geöffnet wurde, besuchte Sieglinde Enderle-Stahl zahlreiche Seminare und Fortbildungsmaßnahmen. Zudem hat sie beim Aufbau des Ladens große Unterstiitzung von den Lebensmittelkontrolleuren und Veterinären aus Simmern sowie der zustandigen SLVA erfahren. Sie rät allen Landwirten, die überlegen, in die Direktvermarktung einzusteigen, am Anfang klein zu beginnen und kontinuierlich zu steigern. Es sei nicht unbedingt notwendig, sofort einen Laden zu eröffnen, berichtet die gewiefte Unternehmerin aus eigener Erfahrung.

Für die Zukunft sieht Klaus Stahl ein wachsendes Absatzpotenzial fur die eigenen Produkte in der umliegenden Gastronomie. Oberwesel liegt touristisch attraktiv am Rhein und die Zahl der Ubernachtungen steigt von Jahr zu Jahr und damit auch die Nachfrage nach guter Verpflegung. Außerdem machen viele Urlauber auf dem Heimweg noch schnell einen Abstecher zu Stahls, um sich mit Fleisch- und Wurstwaren einzudecken, die sie während ihres Uriaubs schätzen gelernt haben.

Eine Erweiterung der Produktpalette in der Direktvermarktung kommt nur in Frage, wenn ein Betrieb gefunden wird, dessen Produkte zum einen gut in das Sortiment passen. Zum anderen wäre es eine absolut notwendige Voraussetzung, über diese Erzeugnisse genauso gut Bescheid zu wissen, wie über die eigenen Produkten. Kein leichtes Unterfangen, wenn man weiß, wie genau Sieglinde Enderle-Stahl ihrer Arbeit nachgeht.

Quelle: Rheinische Bauernzeitung vom 22.06.2002  -  Fotos: Dr. M. Löbbert

 

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